Foto: Klaudia Kretschmer
Von links nach rechts: Josef Thomalla (Lokale Agenda Umwelt Harsewinkel), Claudia Quirini-Jürgens (Biologische Station Gütersloh/Bielefeld), Maria Abeck-Brandes (Leiterin der Lokalen Agenda Umwelt Harsewinkel) und Klaus Baumgart (Lokale Agenda Umwelt Harsewinkel)
Lebensräume rund um Harsewinkel, in stetiger Entwicklung hin zu mehr Artenvielfalt/Biodiversität
Harsewinkel, November 2023 (KK).
Dichter und Komponisten haben sich von ihrem jubilierenden Gesang inspirieren lassen. Doch über vielen Feldern ist ihr melodisches Tirilieren verstummt: Für die Feldlerche gilt Alarmstufe Rot. Wie komplex und aufwendig Maßnahmen zum Schutz stark bedrohter Feld- und Wiesenvögel wie Feldlerche, Kiebitz, Brachvogel und Rebhuhn sein können, aber auch, wie Naturschutz in der Region effektiv gelingt, schilderte die Biologin Claudia Quirini-Jürgens anhand beispielhafter Projekte. Intensive Landwirtschaft, wärmer und trockener werdendes Klima, schrumpfende Lebensräume und fehlende offene Ackerfluren, auf denen die Vögel laufen können, lassen die Zahl der Brüter sinken. „Natürliche Feinde wie Fuchs und Marder, die es auf ihre Eier und Küken abgesehen haben, gab es immer schon“, sagt Quirini-Jürgens. Mit großer Sorge sieht sie die Verbreitung der aus Nordamerika eingeschleppten Waschbären. Schwärme von Bodenbrütern, wie es sie vor Jahrzehnten noch gab, hätten diese erfolgreich aus ihrem Brutrevier vertreiben können. Vereinzelt brütende Feldlerchen- oder Kiebitzpaare hätten gegen die Räuber keine Chance. Zudem seien Feldlerchen sehr standorttreu. Ein Fruchtwechsel in ihrem angestammten Brutrevier bedeute oft das Aus. „Da kann man ihnen den schönsten Acker gleich nebenan anlegen, doch da ist nichts zu machen. Die Feldlerchen nehmen das Angebot nicht an“, erläuterte Claudia Quirini-Jürgens die Problematik. Sogenannte „Lerchenfenster“, gezielt angelegte Freistellen in Getreideäckern, hätten sich nicht bewährt. „Sie sind viel zu klein“, moniert die Biologin. Dank der finanziellen Förderung durch das Projekt Vital NRW realisiert sie mit Landwirten großflächig effektiven Schutz durch das Anlegen zusammenhängender Ackerbrachen mit umlaufenden Sonnenblumenstreifen. Einmal im Jahr werden die Flächen umgepflügt, um sie im Frühjahr offen und den Bewuchs insgesamt niedrig zu halten.
Das interkommunale Vital-Projekt möchte Maßnahmen vor allem außerhalb der Schutzgebiete umsetzen. In den Gebieten der letzten Wiesenvögel besteht ein enger Schulterschluss mit Umweltbehörden, mit der Biologischen Station und der Jägerschaft. Der Waschbär wird in einigen Regionen bereits intensiv bejagt.
Ein weiteres Vorzeigeprojekt, das von der Biostation als Vital-Maßnahme finanziell unterstützt wird, ist die Entwicklung und Erweiterung des Biotops Marienfelder Heide. Die klassische Besenheide, auch Glocken-Heide und andere typische Pflanzen wie Heidelbeere und Preiselbeere findet man dort. Verschiedene Insektenarten, wie die bedrohte Rote Waldameise, erdnistende Wildbienen und seltene Käfer, besiedeln die etwas versteckt liegende Heidefläche. Um den Aufwuchs von Gräsern und Junggehölz und die allmähliche Verwandlung in einen Wald zu verhindern, setzt die Lokale Agenda in Abstimmung mit allen Beteiligten und freiwilligen Helfern umfassende Pflegemaßnahmen um. Durch das Abschieben des Aufwuchses auf umliegenden Flächen soll in Zukunft neuer Rohboden geschaffen und die Heide erweitert werden – ein Kleinod mit viel Potenzial für die Zukunft der Natur. Claudia Quirini-Jürgens ist zuversichtlich, dass der wunderbare Gesang der Heidelerche bald nicht nur über der Niehorster Heide, sondern auch über der Marienfelder Heide erklingen wird.
Text: © Klaudia Kretschmer
Ergänzende Informationen
November 2023 (MA). Das Programm VITAL GT8 ist ein Förderprogramm, bei dem Steuergelder fließen bzw. geflossen sind – in Harsewinkel und den sieben weiteren Mitgliedsgemeinden. Es war auf fünf Jahre befristet und läuft jetzt aus. Das Nachfolgeprogramm mit europäischen Fördergeldern heißt LEADER. Es geht um Förderungen im ländlichen Raum. Auf eine Fortführung des Bereichs „Artenreiche Lebensräume“ mit LEADER hoffen wir sehr.
Der auf den Schutz der Natur abzielende Bereich „Artenreiche Lebensräume“ wurde von der Unteren Landschaftsbehörde des Kreises Gütersloh unter der damaligen Leitung von Wilhelm Gröver zusammen mit der Biologischen Station ins Leben gerufen und in der Folge von Claudia Quirini-Jürgens als Projektleiterin mit außerordentlichem Engagement koordiniert. Auch wir von der Lokalen Agenda haben in den vergangenen fünf Jahren auf vielfältige Weise davon profitiert. Das sollte auch einer breiteren Öffentlichkeit bekannt sein.
Wir hatten bei der Entwicklung von verschiedensten Flächen hin zu artenreichen und insektenfreundlichen Lebensräumen regen Erfahrungsaustausch und Begehungen von Flächen und erhielten Anregungen und Tipps, die wir weiterhin effizient im Team der Lokalen Agenda, auch durch praktische Arbeitseinsätze, mit dem Ziel, Harsewinkels Natur spürbar hin zu mehr Vielfalt zu entwickeln. Dabei möchte ich ausdrücklich auch die Kooperation zwischen der Biostation, der Stadt Harsewinkel, der Unteren Landschaftsbehörde und der Lokalen Agenda nicht unerwähnt lassen.
Text: © Maria Abeck-Brandes
Fotos: Josef Thomalla – Zum Teil entkusselte Heidefläche in Marienfeld. (Entkusseln = Baumschösslinge entfernen)